Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Schloßstraße 55

Dezentrale Gedenkorte

Schloßstraße 55: Familie Basnizki

Gedenktafel an der Schloßstraße 55

Die Anbringung der Gedenktafeln fand anlässlich des bundesweiten Gedenktages an alle Opfer des Nationalsozialismus am 24. Januar 2018 statt. Auf einer anschließenden Infoveranstaltung wurden die Rechercheergebnisse zur Familie  durch Karola Streppel vorgestellt.

Zum Schicksal der Familie Basnizki
von Karola Streppel

Abb.: Margaretha Basnizki, geb. Simon. Sammlung Kennkarten © StArchiv Pirmasen. Rechts: Gruppenbild mit Dr. Siegfried Basnizki (In der oberen Reihe zweiter von links), "Juden in Pirmasens - Spuren ihrer Geschichte" © Stadt Pirmasens

In der Schloßstraße 53 (heute Ecke Christiansgasse/Schloßstraße 55) lebten Siegfried Basnizki, seine Ehefrau Margaretha Basnizki und die beiden Söhne Walter und Georg bis zu ihrem wegen Berufsverbot erzwungenen Umzug nach Mannheim.

Siegfried Basnizki wurde am 25. Januar 1889 in Langenbrücken, Amt Bruchsal, Baden als jüngster Sohn in eine wohlhabende Familie eines Möbelfabrikanten in Odenheim (bzw. Heidelberg, Verwaltung) geboren. Seine Eltern waren Isaak Basnizki und Ernestine, geborene Gross.[1] Isaak Basnizki hatte in Berlin das Tischlerhandwerk gelernt und baute in Odenheim die "Badische Möbelwerke AG" auf, die ein wichtiger Arbeitgeber in der Region war.  Nach Abitur (in Bruchsal) und Studium in Heidelberg und München legte Siegfried am 16. Januar 1914 sein medizinisches Staatsexamen ab und arbeitete ab 15. Februar als Medizinalpraktikant an der Inneren Abteilung des Krankenhauses rechts der Isar in München. Seine Doktorarbeit verfasste er zu dem Thema: „Über die in den Jahren 1903-1913 in der kgl. Universitätsfrauenklinik und kgl. Hebammenschule zu München zur Beobachtung gekommenen Sturzgeburten“[2].

In der Karlsruher Zeitung (Nr. 219) wird Dr. Siegfried Basnizki  am 12.8.1916 als Assistenzarzt  bei der Pionierkompagnie erwähnt (Nr. 237).


[1] Isaak Basnizki, geb. 1.4.1853 in Alexandrow, Kaunas/Litauen, gest. 31.10.1936 in Heidelberg, heiratete 1877 Ernestine Gross, die 1853 in Odenheim geboren wurde, dem Ort der späteren Möbelfabrik. Das Ehepaar hatte 4 Söhne (Gustav B. 28.4.1878 in Östringen, gest. 5.9.1954 in Basel, Emil, geb. 16.5.1881 in Östringen, gest. 10.4.1921 in Heidelberg, Ludwig, geb. 16.3.1885 in Östringen, gest. 26.Mai 1957 in Brasilien und Siegfried (s.o.) sowie zwei Töchter, Johanna, geb. 3.5.1883 in Östringen und Mina, geb. 23.6.1887 in Östringen, die zusammen mit ihrem zweiten Ehemann, Julius Lindauer am 26. April 1942 nach Izbica/Polen deportiert wurde und dort im Alter von 54 Jahren ermordet wurde.

[2] Die Doktorarbeit liegt in der Bayerischen Staatsbibliothek und im Lesesaal der Ludwig Maximilianuniversität unter der Signatur (0001)/ U 15-1219 vor. Hieraus ist der Lebenslauf bis 1914 entnommen.)


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    1922 heiratete Siegfried in Pirmasens Margaretha Simon (geboren am 30.9. 1898 in Pirmasens), deren Vater Ferdinand Simon[1] Kaufmann in Pirmasens war. Ihr Großvater, Elias Aron war Kaufmann und hatte eine Ledergroßhandlung in der Hauptstr. 57.[2] Margaretha hatte zwei Schwestern, Julie und Anna und einen Bruder, Fritz, die alle in Pirmasens geboren wurden.[3] Ein Onkel von Margaretha Basnizki, Isidor (Isaac) Simon, stammte wie ihr Vater aus Thalfang (Bernkastel)[4] . Er lebte mit seiner Familie in der Dankelsbachstr. 60. Eine der Töchter[5], Luise, heiratete den Juwelier Jacob Malz. Mit den Söhnen Benno (geb. 15.4.1925 in Pirmasens und Rolf) flohen sie nach den Boykottaufrufen der Nazis bereits 1933 nach Frankreich. Benno ging in den französischen Widerstand und später in die französische Armee und fiel dort am 18.11.1944 in Belfort.[6]

    Siegfried Basnizki war Spezialarzt für innere Krankheiten und Röntgendiagnostik[7]. Anfangs lebte das Ehepaar im Haus der Schwiegereltern Ferdinand und Pauline Simon in der Hauptstr. 57, während sich die Praxisräume in der früheren Wohnadresse von Siegfried Basnizki in der Höfelsgasse 14[8] befanden. Danach befanden sich Wohnort und Praxis in der Schloßstr. 53[9] (heutige 55).

    Abb.: Walter u. Georg Basnizki, Sammlung Kennkarten © StArchiv PS

    Walter besuchte bis 1937/38 die Oberrealschule (heutiges Leibnizgymnasium) zusammen mit 4 weiteren jüdischen Mitschülern in einer 32-köpfigen Klasse. Unmittelbar nach der Pogromnacht im November 1938 mussten "sämtliche jüdischen Schüler und Schülerinnen von jedem Unterricht" beurlaubt werden.[10] Aber auch vorher gab es Gewalt und Hetze gegen jüdische Mitschüler an dieser Schule, die sich 1935 feierte, als erste die neue Hitlerjugendfahne gehisst zu haben. Ein Unterrichtsthema war 1935 "Die Rassenfrage als Schicksalsfrage des deutschen Volkes".[11] Georg besuchte bis zum erzwungenen Umzug nach Mannheim die jüdische Grundschule in Pirmasens.

    Die Familie war in der jüdischen Gemeinde aktiv und in der Stadt voll integriert.

    Im Buch Juden in Pirmasens sehen wir ein Foto, auf dem Siegfried Basnizki als Stammkunde im jüdischen Restaurant Mayer beschrieben wird:

    Abbildung u. f. Textausschnitt Juden in Pirmasens, Seite 253

    „Zu den Stammkunden des Restaurants Mayer zählten auch Mitglieder dieser Kegelgesellschaft, Foto Anfang der 1930er Jahre. In der oberen Reihe von links nach rechts: Robert Mayer, Dr. Siegfried Basnizki, Levy, Katz, Dannheißer, Rabbiner Dr. Dagobert Nellhaus, Levy, Karl Kahn. Mittlere Reihe: (Siegfried?) Seligmann, Ernst Levy, Dr. Richard Weis, Erich Haas, Alfred Feinberg. Untere Reihe: Karl Alexander, Mulco (?), Willi Meier, Adolf Fuchs.“

    Im Zuge des "Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums" vom 7. April 1933 erhielt Siegfried Basnizki Berufsverbot. Die Verantwortung für seine Patienten war vermutlich ein Grund, dass er nicht emigrierte. Walter, Georg und  ihre Eltern wurden im Oktober 1940 mit über 6000 anderen Juden aus Baden und der Saarpfalz in das Lager Gurs nach Südfrankreich deportiert. Siegfried Basnizki kam in Gurs in Ilot, Baracke 66. Unter unmenschlichen Bedingungen in Schlamm und Dreck mussten die Gefangenen ausharren. Über 600 starben bereits in den ersten Wochen nach der Ankunft.

    Die Eltern konnten noch erleben, dass ihr Sohn Georg am 24.2.1941, also mit 12 Jahren, durch die OSE in Gurs befreit wurde und in das Kinderheim „Aspet“ gebracht wurde. Ihr Sohn Walter kam mit Hilfe der Cimade nach Le Chambon-sur-Lignon. Dort wurde Walter von dem reformierten Pastor André Trocomé und seiner Frau Magda wie ein Sohn aufgenommen und hat wie sein Bruder Georg überlebt[12].

    Am 16. März 1941 kamen Siegfried und Margaretha Basnizki in das Internierungslager Rivesaltes. In den Lagern arbeitete Siegfried Basnizki mit begrenzten Mitteln als Arzt (s. Roland Paul, Gurs, S. 200).

    Über Drancy, 15. August 1942 wurden Siegfried Basnizki am 26. August 1942 und Margaretha am 24. August in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert. 1952 wurden sie für tot erklärt.

    Walter, der sich nun Jehuda nannte, wanderte 1948 nach Israel aus und heiratete noch im gleichen Jahr, am 13.11.1948 Elisabeth (Liesel) Felsenthal, die 1924 in Kaiserslautern geboren wurde.[13]

    Er studierte in Jerusalem Agrarwissenschaft und Biologie, arbeitete als Agronom und war bis 1984 als Gemüsebauexperte beim israelischen Landwirtschaftsministerium tätig. Von 1984 bis 2003 war er Research Fellow an der Hebräischen Universität in Jerusalem, was er in einem Interview mit Roland Paul im August 2010 in Beit Nakofa schilderte.[14] Walter Basnizki besuchte mehrmals Deutschland, zuletzt 2008. Eliesabeth und Walter hatten eine Tochter und vier Enkelkinder. Elisabeth starb am 16.12.2000, Yehuda  im Jahr 2017.[15]

    Auch Georg Basnizki kam 1948 nach Israel. Seit 1956 lebte er ebenfalls in Beit Nakofa. Bis zu seiner Pensionierung leitete er die Ersatzteilabteilung der Peugeot-Garage in Jerusalem.[16] Dort starb er am 1.5.2013. Seine Frau, Eva, geb. Hirche, wurde am 10..6.1933 in Jeve/Friesland geboren. Sie war das einzige Kinde der Jüdin Erna Hirche, geb. Schiff (1893 Wilhelmshaven, gest. 1959 in Jever) und des Nichtjuden Adolf Hirche (1901 Bant, Wilhelmshaven, gest. 1981 in Israel).

    Anfang 1957 heirateten Eva und Georges in Brüssel. In Israel bauten sie sich eine Existenz in Beit Nakofa auf, einem Moshav zwischen Jerusalem und Tel Aviv, das direkt neben dem Haus von Yehuda und Liesel lag,. Eva arbeitete als Sekretärin in einem Sanatorium für Holocaust-Überlebende, als freie Journalistin und Übersetzerin und trat mit Erzählungen und als Lyrikerin in der deutschsprachigen Jerusalemer Schriftstellergruppe “Lyris” in Erscheinung.[17] Schon 1969 lud der Geschäftsführer der Gesellschaft für Christlich-jüdische Zusammenarbeit Oldenburg e.V., Carl Gustav Friedrichsen ehemalige jüdische Mitmenschen zu einem Treffen in Israel ein. während seiner fünften Israelreise 1976 waren er und seine Frau auch zu Gast bei Georg und Eva Basnizki in Beit Nakofa. Dies berichtete er in einem Schreiben an den Oberbürgermeister der Stadt Pirmasens vom 6. Juni 1976. Hier schildert auch das Schicksal der ermordeten Eltern von Georg und Walter. Georg und Walter erhalten daraufhin als "ehemalige Bürger" einen Jubiläumsbildband, der anlässlich der 200-Jahrfeier der Stadt Pirmasens erstellt wurde. Georg Basnizki bedankt sich im Dezember 1976 für den Jubiläumsband und schreibt, dass er  im Sommer 1977 beabsichtigt, nach Deutschland zu reisen. "Es würde ihn sehr interessieren das heutige Pirmasens etwas näher kennen zu lernen und Vergleiche mit meinen Jugenderinnerungen zu machen".[18] Ein weiterer Schriftverkehr liegt nicht vor. 1988 wird Georg Basnizki im Rahmen des Besuchsprogramms für ehemalige jüdische Mitbürger angeschrieben. Er bekundet sein Interesse, mit seiner Frau Pirmasens zu besuchen. Auch hier gibt es keine weiteren Unterlagen dazu.

    Nach dem Tod des Ehemanns Georges 2013 lebte Eva Basnizki bei einer zunehmenden Erkrankung weiter in ihrem Haus im Moshaw Beit Nekofa bei Jerusalem. Sie starb am 5. Januar 2016, ihr Grab befindet sich auf dem dortigen Friedhof.[19]

    © Karola Streppel, Arbeitskreis Geschichte der Juden Pirmasens, 22.1.2018/StArchiv PS


    [1] Ferdinand Simon, geb. 20.6.1863 in Thalfang, gestorben am 3.10.1925 in Pirmasens. Er heiratete am 27.11.1893 in Pirmasens Pauline Aron (13.11.1868 in Steinbach/Homburg, gest. 7.10.1941 in Luxemburg). (s. Geburts- und Eheurkunden im StA Pirmasens)

    [2] im Adressbuch der Stadt Pirmasens 1919/1920 als Eigentümer der Hauptstr. 57 aufgeführt

    [3] Julie, geb. 25.9.1894 in Pirmasens, Anna, geb. 6.5.1897 in Pirmasens, Fritz, geb. 29.9.1903 in Pirmasens. Von Fritz wissen wir, dass er Ernestine Bella Levy, geb. 7.9.1909 in Kaiserslautern heiratete. Das Ehepaar floh mit der Tochter Ruth (geb. 1935 in Kaiserslautern) nach Israel und wurde am 17.12.1934 eingebürgert.

    [4] Isidor (Isaac) Simon, geb. 19.5.1862 (bis mindestens 1930 war er als Eigentümer eingetragen.

    (s. auch „Juden in Pirmasens – Spuren ihrer Geschichte“, Hrsg. Stadt Pirmasens, Bernhard Kukatzki, Dunja Maurer, Heike Wittmer und AK Geschichte der Juden in Pirmasens,  Pirmasens 2004, S. 90 und 210 )

    [5] weitere Kinder waren Felix, geb. 10.11.1895 und Emma, geb. 31.3.1894, beide in Thalfang

    [6]  Juden in Pirmasens, S. 363

    [7] Einwohnerbuch der Stadt Pirmasens 1925/26 und 1936, StA PS

    [8] Einwohnerbuch der Stadt Pirmasens 1925/26, StA PS

    [9] Einwohnerbuch der Stadt Pirmasens 1936, StA PS

    [10] Mitteilung des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus an den Pirmasenser Oberbürgermeister, StA PS A 270.00/-fol. 220, Juden in Pirmasens, S. 170 Fn 141

    [11] Juden in Pirmasens, S. 169

    [12] s. Roland Paul, Gurs, Seite 200 und 201

    [13] Auch Liesel Felsenthal war mit ihrer Familie nach Gurs deportiert worden und wurde dort am 19.8.1942 entlassen. Über Grenoble (1943) kam sie 1946 nach Palästina. Ihr Vater, Alexander Felsenthal, wurde am 18.3.1944 in Auschwitz ermordete. (s. Roland Paul, Gurs, S.227 und 228)

    [14] s. Roland Paul, Gurs, S. 200

    [15] Auskunft eines Enkels in einer email vom 9.1.2018

    [16] s. Roland Paul, Gurs, S. 201

    [17] s. Im Weiteren  Eva Basnizki- Erinnerungen eines „Mischlings 1. Grade“ an Jever und Hamburg 1933-1945, von Hartmut Peters, hier wird auch das leidvolle Schicksal ihrer Mutter, ihres Vaters und ihre bedrohte Kindheit und Jugend erzählt. Eva besuchte 1987 ihre Heimatstadt Jever und schilderte ihre Erlebnisse in einem Dokumentarfilm

    [18] s. Korrespondenz StA Pirmasens

    [19]  Bilder der Grabplatten s. https://nb.billiongraves.com/grave/%D7%92%D7%95%D7%A8%D7%92-%D7%91%D7%A1%D7%A0%D7%99%D7%A6%D7%A7%D7%99/21246584