Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Alleestraße 16

Dezentrale Gedenkorte

Alleestraße 16: Gustav und Arthur Beiersdorf sowie Elsa Mayer, geb. Beiersdorf

In der Alleestraße 16 lebte seit 1838 die Familie Beiersdorf, zuletzt die Brüder Gustav und Arthur. Die Familie Beiersdorf zählt zu den ältesten Pirmasenser Familien jüdischen Glaubens. Jakob Israel Beiersdorf kam durch den Einfluss von Amschel Rothschild, mit dessen Cousine Rosette Alexander er verheiratet war, noch zu Zeiten des Pirmasenser Stadtgründers Ludwig IX. von Hessen-Darmstadt als erster Rabbiner nach Pirmasens. Der Sohn des Rabbiners, Judas Beiersdorf baute in der Alleestraße 16 im Jahr 1838 sein Haus, das nach einigen Renovierungen bis 1939 im Eigentum der Familie stand. Es wurde im 2. Weltkrieg vollständig zerstört. Einer der Söhne von Judas Beiersdorf, August
Beiersdorf gehörte zu den Gründungsmitgliedern des TVP 1863, engagierte sich großzügig beim Bau der vereinseigenen Turnhalle, war 1. Beisitzer im Turnrat und wurde 1892 aufgrund seiner außerordentlichen Verdienste Ehrenmitglied des TVP.

Gedenktafeln an der Alleestraße 16

Die Anbringung der Gedenktafeln fand anlässlich des 79. Jahrestages der Reichspogromnacht am 9. November 2017 statt. Zu einer weiteren Station gehörte die Exerzierplatzstraße 13, wo ebenfalls Mitglieder der Familie Beiersdorf lebten.

Zum Schicksal der Familie Beiersdorf
von Karola Streppel

Gustav Nathan Beiersdorf, Sammlung Kennkartenanträge © StArchiv PS

Gustav Nathan Beiersdorf wurde am 3. März 1872 in Pirmasens geboren. Er war erfolgreicher Turner beim TVP 1863, sehr rührig und im Turnrat, als Schrift- und Kassenwart engagiert [s. Anm.2 im Klappext]. Er war unverheiratet und betrieb eine Ledergroßhandlung. Im 1. Weltkrieg war er aufgrund seines Alters bei der „Landwehr“ eingesetzt. Er wohnte zuhause im elterlichen Anwesen Alleestraße 16 und wurde zusammen mit seinem Bruder Arthur von der Haushälterin Hedwig Moses [s. Anm.2 im Klapptext] versorgt. Am 10.11.1938 wurde er nach der Pogromnacht im Volksgarten verhaftet ...

  • → weiterlesen

    Gustav Beiersdorf zog dann Ende der 1930er Jahre zusammen mit seinem Bruder Arthur nach Frankfurt, um dort in der Anonymität der Großstadt sicherer zu sein. Er wohnte zusammen mit seinem Bruder - wahrscheinlich unangemeldet - im Hotel Prinz Otto in der Ottostraße. Möglicherweise wurden sie verraten und am 20. September 1940 von der Gestapo Frankfurt/Main verhaftet. Auch der Hotelbesitzer wurde festgenommen. Sie waren im Besitz von Goldmünzen sowie Bargeld in Höhe von RM 12.000,--. Diese Vermögenswerte wurden sofort von der Gestapo beschlagnahmt. Nach seiner Inhaftierung wurde Gustav Beiersdorf am 9. November 1940 durch die Staatspolizei
    Frankfurt/Main in die Untersuchungs-Haftanstalt Frankfurt/Main eingeliefert (Gefangenenbuchnummer
    1186). Es folgte der Prozess am 13. Januar 1941 9.30 Uhr vor dem „Sondergericht“ in Frankfurt/Main,
    Heiligkreuzstraße 34. Gustav Beiersdorf wurde zu 5 Monaten Gefängnis und RM 1.000,-- Geldstrafe, hilfsweise zu weiteren 100 Tagen Gefängnis verurteilt. Am 21. Februar 1941 wurde Gustav Beiersdorf zum Strafgefängnis Frankfurt/Main-Preungesheim überstellt. Gustav Beiersdorf bevollmächtigte den „Konsulenten“ Max L. Israel Cahn Frankfurt/Main, Unterlindau 23. Dieser war zugelassen zur rechtlichen Beratung und Vertretung von Juden. Cahn war es auch, der am 16. Mai 1941 beim Oberfinanzpräsidenten Kassel (Devisenstelle S) Frankfurt/Main, Goethestraße 9 den Antrag auf Freigabe von RM 350,-- zu Gunsten des Reisebüros Postelt, Hamburg 36, Poststraße 3/Ecke Neuer Wall zwecks Finanzierung der Auswanderung von Gustav Beiersdorf stellte. Der Antrag wurde zwar am 22. Mai 1941 genehmigt. Aber bereits am 30. Mai 1941 wurde sein Bruder von der Gestapo Frankfurt/Main in das Konzentrationslager Buchenwald ein (Häftlingsnummer 635) eingeliefert (s.a. Text zu Arthur Beiersdorf). Am 20. Juni 1941 kam Gustav Beiersdorf in das Konzentrationslager Dachau und wurde dort unter der Häftlingsnummer 26347 in der Häftlingskategorie „Jude“ registriert. Am 12. Juli 1941 überführte man ihn in das KZ Buchenwald (Häftlingsnummer 8492). Dort „verstarb“ er nach den vorliegenden Unterlagen am 20. Januar 1942 um 09.25 Uhr angeblich an Herz- und Altersschwäche. Wahrscheinlich musste er sich bei schlechter Ernährung und mangelhafter Unterbringung zu Tode arbeiten. (In den Unterlagen ist vermerkt: Schutzhaft angeordnet am 15. September 1940; Grund: „Geldhamsterei“.)

    Anmerkung 1: Er gehörte 1913 zu nur vier Aktiven, die seit mehr als 25 Jahren turnten. Zu diesem Zeitpunkt hatte
    er bereits 27 Jahre ständig geturnt. Er beteiligte sich u.a. am Gau-Fest in Zweibrücken 1894 (2.Preis)
    oder am Vereinsfest in Hagenau. 1913 gehörte er auch zu denen, die die meisten Erfolge für den
    Verein erzielt haben. Es waren 12 Erfolge, die Platz 7 der Bestenriege einbrachten. Darüber hinaus
    gehörte Gustav Beiersdorf mindestens 13 Jahre dem Turnrat an, war von 1897 bis 1900 2. Schriftwart
    und von 1906 bis mindestens 1913 1. Kassenwart. Während des 11. Kreisturnfestes des X. deutschen
    Turnkreises in Pirmasens im August 1905 gehörte Gustav Beiersdorf dem Empfangsausschuss der
    Großveranstaltung an.

    Anmerkung 2: Hedwig Moses, geb. 11.07.1906 aus Saalstadt. Sie kam jeden Tag mit ihrem kleinen Auto und hatte die Erlaubnis das Auto in der verschließbaren Einfahrt in der Alleestraße 16 abzustellen. Sie war auch
    jüdischen Glaubens und wurde zunächst am 22.10.1940 nach Gurs, dann ins Internierungslager Sachsenhausen deportiert und schließlich am 12.08.1942 im KZ Auschwitz ermordet. Ihr Bruder konnte noch rechtzeitig in die USA auswandern.

Arthur Beiersdorf, Sammlung Kennkartenanträge © StArchiv PS

Arthur Beiersdorf wurde am 26. März 1874 in Pirmasens geboren. Er war musikalisch begabt und spielte Geige. Im 1. Weltkrieg bekam er als Soldat im Osten Malaria, unter der er in den späteren Jahren immer wieder schubweise litt. Er war an der Schuhfabrik seines Bruders Albert Beiersdorf beteiligt, verlor jedoch seine Geschäftseinlagen, als diese Firma während der Weltwirtschaftskrise 1928/29 in Insolvenz geriet. Nach dem Zusammenbruch der Fa. Albert Beiersdorf während der Weltwirtschaftskrise übernahm Arthur Vertretungen, so auch die Vertretung der Firma Freudenberg. Arthur Beiersdorf blieb unverheiratet ...

  • → weiterlesen

    Zusammen mit seinem Bruder Gustav wurde er zuhause im elterlichen Haus Alleestraße 16 von der Haushälterin Hedwig Moses versorgt. Am 10.11.1938 wurde auch er nach der Pogromnacht im Volksgarten verhaftet. Spätestens bei der Evakuierung folgte er seinem Bruder Gustav nach Frankfurt/Main und wohnte mit ihm - gleichfalls wohl unangemeldet - im Hotel Prinz Otto in der Ottostraße. Zusammen mit seinem Bruder Gustav und dem Hotelier wurde er am 20. September 1940 von der Gestapo Frankfurt/Main verhaftet und inhaftiert. Am 9. November 1940 wurde er in die Untersuchungshaftanstalt Frankfurt/Main eingeliefert (Gefangenenbuchnummer 1135) und am 13.
    Januar 1941 vom „Sondergericht“ Frankfurt/Main zu vier Monaten Gefängnis verurteilt. Am 21.Februar 1941, wurde er dann wie sein Bruder Gustav, zum Strafgefängnis Frankfurt/Main- Preungesheim überstellt. Ihre Interessen wurden von dem „Konsulenten“ Cahn, Frankfurt/Main wahrgenommen und auch für ihn beantragte Cahn die Freigabe eines Betrages von RM 350,-- zu Gunsten des Hamburger Reisebüros zwecks Auswanderung. Dieser Antrag wurde zwar am 21. Mai 1941 genehmigt. Aber bereits am 30. Mai 1941 lieferte ihn die Gestapo Frankfurt/Main in das Konzentrationslager Buchenwald ein (Häftlingsnummer 635). Nach den vorliegenden Unterlagen ist er am 5. August 1941 um 0.10 Uhr dort angeblich an „Altersschwäche“ verstorben.

Elsa Mayer, geb. Beiersdorf, wurde am 5. Februar 1886 in Pirmasens geboren. Sie lebte bis zu ihrer Hochzeit 1911 in ihrem Elternhaus in der Alleestraße 16. Danach lebte sie mit ihrem Mann, Abraham Mayer (geb. am 9. Mai 1880 in Ulmet) in Worms. Abraham Adolf Mayer lebte zusammen mit seiner Frau Elsa, geb. Beiersdorf, in Worms, Donnersberg- (Friedrich Ebert-, später Adolf Hitler)-Straße 35 im eigenen Haus. Er betrieb in diesem Haus ein Manu-fakturwarengeschäft ohne Laden. Abraham Adolf Mayer gehörte zusammen mit seinem Bruder Theodor Mayer (geb. 18.Februar 1878 in Ulmet/Pfalz) zu den insgesamt 87 jüdischen Männern aus Worms und Umgebung, die nach der Pogromnacht am 10.11.1938 verhaftet und vorübergehend ins KZ Buchenwald deportiert wurden ...

  • → weiterlesen

    Am 5.1.1939 wurde die Firma von Abraham Adolf Mayer Aufgrund der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem Wirtschaftsleben vom 12.11.1938 zum 31.12.1938 zwangsabgemeldet. Theodor erlitt nach der Entlassung aus dem KZ Buchenwald einen Herzanfall und verstarb. Seine Witwe, Johanna Mayer wurde vermutlich am 25.11.1941 zusammen mit 2.934 Menschen in der Stadt Kowno (Kaunas) erschossen und später für tot erklärt. Abraham Adolf Mayer und seine Frau Elsa, geb. Beiersdorf wurden am 19.Oktober 1941 von der geheimen Staatspolizei Frankfurt/Main verhaftet und am 20. Oktober 1941 nach Litzmannstadt (Lodz)/Polen in ein Ghetto deportiert. Beide wurden nach dem Zweiten Weltkrieg vom Amtsgericht Frankfurt/Main am 14.12.1958 für tot erklärt. Als Todesdatum wurde der 8. Mai 1945 aufgeführt. Abraham Adolf Mayer und Elsa Mayer hatten zwei Kinder: Ludwig und Johanna. Ludwig Mayer wurde am 12.7.1912 in Worms geboren und ging bereits am 3. November 1933 nach Palästina. Er lebte in Ramat Gan/Israel, Herzstraße 12. Ludwig war Kfz-Mechaniker und Betriebsleiter einer Großreparaturwerkstatt der israelischen Regierung. Seit Dezember 1950 war er mit der Säuglingsschwester Rina verheiratet und wohnte mit ihr später in Ramat Gan/Israel, 26, Chibath-Zionstraße. Johanna Mayer wurde am 4.11.1918 in Worms geboren und Hansel oder Hanna genannt. Sie konnte am 7. Juni 1938 in die USA nach New York emigrieren. Dort war sie mit Manfred Hahn verheiratet. Sie wohnten in New York City, 55, Payson Ave bzw. 228 Audubon Ave Apt. 34. Die beiden hatten zwei Töchter, die 1945 und 1947 zur Welt kamen.