Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Vernichtung durch Arbeit

Vernichtung durch Arbeit

Regionale Schicksale und Bezüge zur Ausstellung "KZ überlebt"

erarbeitet von James Anthony Dahmes

Zwangsarbeit im Konzentrationslager

„Vernichtung durch Arbeit“ beschreibt eine ausbeutende Form der Schwerarbeit im Freien. Die Arbeit wird unter Zwang verrichtet und kann zu körperlichen Schäden, Mangelerscheinungen und dem Tod führen. Das Wohl und die Gesundheit der Arbeiter wird hierbei nicht berücksichtigt. In den Konzentrationslagern bestand die Zwangsarbeit teilweise aus sinnlosen Verrichtungen, welche die Häftlinge körperlich und psychisch zermürben sollten. Eine hohe Anzahl von Gefangenen starb durch die unmenschlichen Arbeitsbedingungen, mangelnde Ernährung sowie Übergriffe durch das Wachpersonal.

Zu Beginn des nationalsozialistischen Terrorregimes dienten die Konzentrationslager insbesondere zur Einschüchterung und Ausgrenzung von politischen Gegnern und jüdischen Menschen. So auch das frühe Konzentrationslager in Neustadt. Das Lager bestand für wenige Wochen im März und April 1933. In dieser Zeit wurden hier mehr als 500 Männer sowie eine Frau gefangen gehalten und misshandelt. Auch mehrere Kommunisten und Sozialdemokraten aus Pirmasens wurden in diesem Zeitraum von ihren Familien getrennt und nach Neustadt deportiert.

In Neustadt wurden die Betroffenen dazu gezwungen, harte körperliche Arbeit zu verrichten. Die Nationalsozialisten erhofften sich hierdurch ihre Gegner einzuschüchtern und zu demotivieren. Diese Strategie ging jedoch nicht immer auf. So schrieb der Pirmasenser Karl Ballinger während seiner Zeit in Neustadt:

Die Tat began[n] ich zwecks Besserstellung meines Lebens und des Lebens meiner Genossen. Zu bereuen habe ich nichts. Nach meiner Entlassung werde ich für Freiheit, Arbeit und Brot weiterkämpfen.“

Karl Ballinger war ein überzeugter Kommunist und ein Mitglied in der KPD gewesen. Der gelernte Bauarbeiter wurde am 11.05.1933 zu sieben Monaten Haft in der Gefangenenanstalt Zweibrücken verurteilt. Zuvor hatte er sich im Rahmen einer Erwerbslosenversammlung hitzig über das Regime der Nationalsozialisten ausgelassen und zu einem aktiven, gewalttätigen Widerstand aufgerufen. Aufgrund seiner gleichbleibenden politischen Einstellung wurde Ballinger in Schutzhaft genommen und in das KZ Dachau verschubt [verlegt]. Nach seiner Haft kehrte er nach Pirmasens zu seiner Ehefrau Gertrud Elfriede (geb. Zell) zurück. 1937 wurde der gemeinsame Sohn Karlheinz geboren. Am 09.08.1944 starben seine Ehefrau sowie der sechsjährige Karlheinz bei dem Bombenanschlag auf Pirmasens. Ballinger heiratete 1946 erneut. Kinder entsprangen aus zweiter Ehe jedoch nicht.

Auch der Sozialdemokrat Heinrich Weber weigerte sich zu Beginn seines Haftantritts in Neustadt eine Loyalitätserklärung gegenüber dem nationalsozialistischen Regime zu unterschreiben. Weber war von 1923 bis 1933 Geschäftsführer des Arbeitsamtes in Pirmasens gewesen. Im März 1933 wurde er aufgrund seiner politischen Einstellung entlassen. Er war nachweislich ein Mitglied in der SPD gewesen. Vor seiner Festnahme war Weber im Kreistag der Pfalz, dem Stadtrat in Pirmasens und im Bezirkstag aktiv. Die Unterschrift der Loyalitätserklärung hätte ihm die Teilnahme an den Kreistagssitzungen verboten. Es ist zu vermuten, dass er aufgrund der Drohungen der Nationalsozialisten die Erklärung unterschrieb. Nach seiner Entlassung zog er sich zurück und übernahm die Landwirtschaft seines Schwiegervaters.

Mit dem fortschreitenden Kriegsverlauf entstanden in einigen Konzentrationslagern Rüstungswerkstätten. Auch wurden KZ-Außenlager in der Nähe von Rüstungsfirmen eingerichtet. Die Arbeit in Fabriken brachte für viele Gefangene verbesserte Haft- und Lebensbedingungen.


Zwangsarbeit in Fabriken

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges fehlten der deutschen Kriegswirtschaft Arbeitskräfte. Der nationalsozialistische Staat setzte auf den Einsatz von Arbeitskräften aus dem Ausland. Ein anfänglicher Anwerbungsversuch blieb ohne Erfolg. Ab 1940 wurden immer mehr Frauen und Männer aus West- und Osteuropa verschleppt und zwangsverpflichtet. Die Zwangsarbeit garantierte die fortlaufende Versorgung der deutschen Bevölkerung sowie die Aufrechterhaltung der zunehmenden Rüstungsproduktion. Die Lebensbedingungen der Zwangsarbeiter waren von unterschiedlichen Faktoren abhängig. Hierzu zählten u.a. die Nationalität, der rechtliche Status sowie das Geschlecht einer Person. Sinti*zze, Romn*ja und Menschen, die dem jüdischen Glauben angehörten, traf häufig ein schlimmeres Schicksal, da sie in der ideologischen Rassenhierarchie der Nationalsozialisten als wertlos galten. Die Mehrheit der Betroffenen blieb jedoch der Willkür und Schikane der Gestapo ausgeliefert. Des Öfteren griff die deutsche Industrie auch auf den Einsatz von Kriegsgefangenen und Häftlingen aus Konzentrationslagern zurück.

Ab dem Jahr 1942 bildeten die Zwangsarbeiter mehr als ein Viertel, in manchen Werksabteilungen bis zu 60 Prozent der Belegschaft. Großunternehmen wie Siemens, Dr. Oetker und Volkswagen forderten immer mehr ausländische Arbeitskräfte an und profitierten letztlich von der starken Ausweitung der Produktion. Das System wurde jedoch auch von kleineren Handwerksbetrieben, Kommunen und Bauern unterstützt und befürwortet. Aufgrund der hohen Nachfrage arbeiteten im August 1944 bereits sechs Millionen zivile Zwangsarbeiter im Deutschen Reich. Die meisten stammten aus Polen und der Sowjetunion. Mehr als ein Drittel der Opfer war weiblich.

Bis heute äußerten sich nur wenige betroffene Unternehmen öffentlich zu dem Einsatz von Zwangsarbeiter. Viele Opfer erhielten keine Entschädigung. Bis Kriegsende wurden mindestens 13 Millionen Menschen zur Arbeit in deutschen Unternehmen gezwungen. Unter den Opfern der Zwangsarbeit befand sich vermutlich auch die Jüdin Betty Kusel. Betty lebte bis 1939 zusammen mit ihrer vierjährigen Tochter Ilse Rosa und weiteren Familienmitgliedern in der Alte Häfnersgasse 12 in Pirmasens. Während des Krieges arbeitete sie als Zwangsarbeiterin bei der Siemens-Schuckert Elektrotechnik in Berlin, bevor sie im März 1942 im Osttransport 11 nach Piaski deportiert wurde. Ihr restlicher Lebensweg ist unbekannt. Für mehr Informationen über die Familie Kusel siehe: