Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Überleben durch Kunst

Überleben durch Kunst

Regionale Schicksale und Bezüge zur Ausstellung "KZ überlebt"

erarbeitet von James Anthony Dahmes

Mischlingskinder

„Mischlingskinder“ wie der  Jazzmusiker und Gitarrist Coco Schumann wurden bereits vor der Zeit des Nationalsozialismus ausgegrenzt und diskriminiert.

Im 19. Jahrhundert wurde der Mischlingsbegriff stets negativ verwendet und ging mit einer Abwertung der Betroffenen einher. Das Wort wurde besonders in pseudowissenschaftlichen Rassentheorien aufgegriffen und ursprünglich für Nachkommen von Europäern und Nichteuropäern verwendet. Die „Mischlinge“ galten in diesen Theorien oft als minderwertig, weil sie angeblich die schlechten Eigenschaften beider Elternteile vereinigten.

Seit 1935 regelten die Nürnberger Gesetze die rassistische und antisemitische Ideologie des Nationalsozialismus. Sie legten etwa fest, wer als jüdisch eingestuft und folglich von der „Volksgemeinschaft“ ausgeschlossen wurde. In der Rassentheorie der Nationalsozialisten war ein «Mischling» eine Person mit einem jüdischen und einem nicht-jüdischen Elternteil. Die Nationalsozialisten unterschieden zwischen „Mischlingen“ 1. Grades und 2. Grades. „Mischlinge“ 1. Grades hatten ein jüdisches Elternteil. Bei „Mischlingen“ 2. Grades war ein Großelternteil jüdisch. Diese Einstufung konnte über Leben und Tod entscheiden.

Im Protokoll der Wannseekonferenz, welches die Organisation des Holocausts festlegte, heißt es:

Mischlinge 1. Grades sind im Hinblick auf die Endlösung der Judenfrage den Juden gleichgestellt. (…) Der von der Evakuierung auszunehmende Mischling 1. Grades wird – um jede Nachkommenschaft zu verhindern und das Mischlingsproblem endgültig zu bereinigen – sterilisiert. (…)

Die Mischlinge 2. Grades werden grundsätzlich den Deutschblütigen zugeschlagen, mit Ausnahme folgender Fälle, in denen die Mischlinge 2. Grades den Juden gleichgestellt werden:
a) Herkunft des Mischlings 2. Grades aus einer Bastardehe (beide Teile Mischlinge).
b) Rassisch besonders ungünstiges Erscheinungsbild des Mischlings 2. Grades, das ihn schon äusserlich zu den Juden rechnet.
c) Besonders schlechte polizeiliche und politische Beurteilung des Mischlings 2. Grades, die erkennen lässt, dass er sich wie ein Jude fühlt und benimmt.
Auch in solchen Fällen sollen aber dann Ausnahmen nicht gemacht werden, wenn der Mischling deutschblütig verheiratet ist.“

Die Behandlung von „Mischlingen“ 2. Grades hing somit von ihrem Verhältnis zum Judentum ab. Waren sie Mitglied einer jüdischen Gemeinde oder mit einem Juden verheiratet, dann wurden sie wie „Volljuden“ behandelt. Hatten sie im Alltag nichts mit jüdischer Religion und Kultur zu tun, so wurden sie anfangs von den antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen ausgenommen. Dennoch wurden sie häufig in der Öffentlichkeit diskriminiert und schikaniert, was die Betroffenen auf Dauer stark traumatisierte.

Die Nationalsozialisten führten auch ein Verzeichnis über die in Pirmasens wohnhaften „Mischlingskinder“ 1. und 2. Grades. Das Verzeichnis muss in näherer Zukunft noch weiter erforscht werden.


Mischehen

Die Nürnberger Gesetze verboten sogenannte „Mischehen“. Dies betraf die Eheschließung zwischen jüdischen Menschen und „deutschblütigen“ bzw. „arischen“ Menschen.

Personen, die sich bereits vor dem Gesetzesentwurf in einer solchen Ehekonstellation befanden, wurden nicht zwangsläufig geschieden. In jenen Fällen galten die diskriminierenden Gesetze nur teilweise für die jüdischen Ehepartner*innen. In gewisser Weise handelte es sich deshalb um „geschützte Mischehen“. Es ist zu vermuten, dass aus diesem Grund auch die jüdische Pirmasenserin Paulina Liedl vor einer frühzeitigen Deportation bewahrt werden konnte. Ursprünglich hätte sie in das Ghetto Theresienstadt überführt werden sollen. Ihre Deportation wurde jedoch vorzeitig gestoppt. Zu diesem Zeitpunkt war Paulina schon länger mit ihrem nichtjüdischen Mann Johann Baptist, genannt Hans, verheiratet. Es ist gut möglich, dass sie aus diesem Grund vor dem Tod bewahrt wurde. Liedl wurde erst kurz vor Kriegsende nach Theresienstadt deportiert. Sie erlebte die Befreiung und starb im Jahr 1960. Für mehr Informationen zu der Familie Liedl siehe

Im Laufe der Kriegsjahre und mit den Deportationen in Vernichtungslager im Deutschen Reich stellte sich für Eheleute in betroffenen „Mischehen“ laufend die Frage, wie das Regime den Umgang mit ihnen auslegte. Der Historiker Nikolas Hagen spricht hierbei von einem „Schweben zwischen Hoffen und Bangen.“ die Hoffnung darauf, von den Verfolgungen verschont zu bleiben und das Bangen davor, dass doch noch etwas passiert. In vielen Fällen erschien der Umgang mit den „Mischehen“ auch eher willkürlich und konnte je nach Ort verschieden sein.

Währenddessen wurden die nichtjüdischen Ehepartner*innen wurden durch äußere Einflüsse zunehmend unter Druck gesetzt. So wurden auch sie in der Öffentlichkeit ausgegrenzt. Ziel war es, die betroffenen Personen zu einer Scheidung von ihren jüdischen Partner*innen zu bewegen. So wurde bspw. Hans Liedl aus seinem Beamtendienst entlassen. Zuvor war er als Regierungsoberinspektor im damaligen Landratsamt, der heutigen Kreisverwaltung, tätig gewesen. Liedl blieb dennoch seiner Frau treu und widersetzte sich somit den Forderungen des Terrorregimes.

Es ist bekannt, dass auch das Ehepaar Blöck in einer „Mischehe“ lebte. Karl Blöck, protestantischer Christ und Lederhändler, war mit der Jüdin Flora Blöck, der Tochter von Emma Markus, verheiratet gewesen. Markus lebte eine Zeit lang bei ihrer Tochter und dem Schwiegersohn. Sie wurde später in Theresienstadt ermordet. Das Schicksal von Flora und Karl Blöck ist jedoch nicht bekannt und bietet Anlass zu weiterer Recherche. Für weitere Informationen zu Emma Markus siehe: