Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Aus allen Bereichen der Gesellschaft

Aus allen Bereichen der Gesellschaft

Regionale Schicksale und Bezüge zur Ausstellung "KZ überlebt"

erarbeitet von James Anthony Dahmes

Homosexualität

Paul Ringle wurde am 11.09.1914 in Pirmasens geboren und lebte in der Poststraße 16. Bis zu seiner Verhaftung war er als Kaufmann tätig. In seiner Jugend besuchte Ringle für acht Jahre die Volksschule, worauf drei Jahre Mittelschule folgten.

1941 wurde er erstmals zu einer Geldstrafe verurteilt. Der Grund hierfür war das Betreiben von Glücksspielen.

Ausschlaggebend für seine Verhaftung war schließlich der mutmaßliche Verstoß gegen den Paragraphen 175. Jener Paragraph existierte bereits seit dem 19. Jahrhundert. Die Vorschrift wurde zunächst so ausgelegt, dass nur „beischlafähnliche Handlungen“ zwischen männlichen Personen unter Strafe gestellt wurden. Lesbische Frauen wurden unter dem Paragraphen zwar nicht verfolgt. Ihre sexuelle Orientierung wurde von der Gesellschaft dennoch verpönt. Homosexualität galt zudem als eine psychische Erkrankung, die angeblich durch das Nervensystem ausgelöst wurde. Jene Theorie wurde jedoch längst von der Forschung widerlegt.

Während der Zeit des Nationalsozialismus ging der Paragraph mit einem absoluten Verbot der männlichen Homosexualität einher. Die Fassung wurde nun so ausgelegt, dass auch das Streicheln und Küssen zwischen Männern verboten war. Selbst eine Umarmung konnte Männern zum Verhängnis werden. Bei einem Verstoß konnte eine Gefängnisstrafe von bis zu fünf Jahren verhängt werden. Homosexuelle Begegnungen fanden deswegen überwiegend in privaten Räumlichkeiten statt. Unter dem Vorwand die sogenannte „widernatürliche Unzucht“ zu bekämpfen, wurden Männer liebende Männer öffentlich schikaniert und verfolgt. Aufgrund der zunehmenden öffentlichen Ausgrenzung und des stetig wachsenden Leidendrucks begingen viele der betroffenen Männer Suizid. Für Minderjährige und Jugendliche, die erste homosexuelle Beziehungen eingingen, konnte bei einem Verstoß gegen das Gesetz Jugendarrest sowie die Unterbringung in Erziehungsanstalten angeordnet werden.

Mit einem Geheimerlass des SS-Reichsführers Heinrich Himmler radikalisierte sich das Vorgehen gegen die Homosexualität. Im Jahr 1936 entstand die „Reichszentrale zur Bekämpfung der Homosexualität und Abtreibung“. Eine Hauptaufgabe der Reichszentrale bestand in der Registrierung homosexueller Männer in einer Kartei. Ab 1940 wurde jene Kartei verwendet, um gegen „Wiederholungstäter“ vorzugehen und Vorbeugemaßnahmen wie Haftstrafen in Konzentrationslagern anzuordnen. Bis Kriegsende wurden in der Kartei mehr als 50.000 Männer erfasst.

Ringle wurde im August 1944 in das Konzentrationslager Natzweiler-Struthof deportiert. Zwei Monate später wurde er nach Dachau überführt. Wie lange er in Dachau festgehalten wurde, ist unbekannt. Nach seiner Freilassung kehrte er jedoch nach Pirmasens zurück und lebte bis ins Jahr 1958 wieder in der Poststraße 16. Es folgte ein Umzug nach Hagen (Westfalen), wo er schließlich am 1.7.1960 verstarb. Um ihre Homosexualität zu verbergen, gingen viele Betroffene sogenannte Schutz- oder Scheinehen ein. Ringle blieb jedoch unverheiratet.

Neben Ringle wurde auch der Pirmasenser Gustav Schäfer aufgrund seiner sexuellen Orientierung verhaftet. Gustav Schäfer wurde am 26.02.1910 geboren. Er war als Friseur tätig gewesen und lebte vor seiner Verhaftung u.a. in Pirmasens und München. Im August 1939 wurde er wegen dem Verstoß gegen den Paragraphen 175 in das Konzentrationslager Dachau eingeliefert. Es ist zu vermuten, dass er jedoch bereits einen Monat später aus der Haft entlassen wurde. Sein weiterer Lebensweg ist unbekannt.

1933 bis 1945 waren etwa 10.000 queere Personen in Konzentrationslagern inhaftiert, unter ihnen auch Transvestiten und Transpersonen. In der Hierarchie der Konzentrationslager standen sie an unterster Stelle. Von ihren Mithäftlingen wurden sie häufig ausgegrenzt, auf Rückhalt konnten sie nur selten hoffen. Ihre Überlebenschancen waren daher gering.

Der Paragraph 175 wurde am 11. Juni 1994 in Deutschland endgültig abgeschafft. Die Aufhebung des Paragraphen beendete eine 123 Jahre andauernde Kriminalisierung der Homosexualität. Dennoch hält die gewalttätige Ausschreitung gegenüber queeren Menschen bis heute an.