Zentrale Gedenkstätte am Bahnhofsvorplatz nach dem Entwurf des Künstlers Clas Steinmann, 2014 

Klosterstraße 1a

Dezentrale Gedenkorte

Klosterstraße 1a: Anna und Robert Reinhardt

Die Sinti-Kinder Anna und Robert Reinhardt lebten im Nardinihaus und wurden 1943 deportiert. Sie waren zu dem Zeitpunkt 12 und 14 Jahre alt.

Gedenktafel an der Klosterstraße 1a

Die feierliche Anbringung der Gedenktafel fand am 8. Mai 2018 statt, gemeinsam mit dem Landesverband deutscher Sinti und Roma Rheinland-Pfalz. In der Folge fand am 19. Mai ein Benefizkonzert statt, zugunsten der Rumänienarbeit der Mallersdorfer Schwestern. 

Zum Schicksal von Anna und Robert Reinhardt
von Karola Streppel

Anna und Robert Reinhardt lebten sieben Jahre, von 1936 bis 1943, im Katholischen Nardinihaus in Pirmasens. Anna wurde am 19.1.1931 in Einöd/Homburg geboren, ihr Bruder am 25.5.1928 in Lautzkirchen (Nähe Blieskastel). Beide wurden zusammen mit ihren Eltern und einem Großteil der Verwandten in Auschwitz ermordet.

Über ihre Auslieferung und Deportation erfahren wir aus einem Bericht ihrer Lehrerin und Erzieherin, Schwester Lydia, einer Mallersdorfer Schwester im Nardinihaus. Sie berichtet, dass die Kinder wegen der wirtschaftlich schwierigen Lage im Nardinihaus waren und dass die Eltern die Entwicklung ihrer Kinder begleitet und positiv beeinflusst haben. Der Vater, Georg Reinhardt, wurde am 12.10.1886 in Sand bei Kehl geboren und am 29.4.1943 in Auschwitz ermordet. Er lebte mit seiner Frau Marie, geborene Meinhardt, (geb. am 23.2.1896 in Niederbexbach, ermordet am 13.10.1943 in Auschwitz) auf der Imsbacher Mühle, in Rodalben/Pfalz

Robert konnte zwei Schulklassen überspringen, stand 1943 kurz vor dem Schulabschluss und hatte Aussicht auf eine Autoschlosserlehre. Er hatte die Hälfte seines Lebens im Nardinihaus verbracht und war sicher eine sehr wichtige Bezugsperson für seine knapp drei Jahre jüngere Schwester.

Zu Schwester Lydia hatte er ein besonderes Vertrauensverhältnis. Diese schreibt über die Kinder: "Sie waren sehr intelligente und charakterlich wertvolle Kinder, aufgeschlossen und empfangsbereit für alles Gute." (s. die Dokumente des Kinderheims Nardinihaus vom 11.4.1958 und vom Mädchenheim Maria Rosenberg, vom 13.4.1959 im Anhang). Als er und seine Geschwister nach Rodalben gebracht werden sollten, wussten Robert und Schwester Lydia, dass der Familie Deportation und Tod drohten. Robert überlegte zunächst,  alleine zu fliehen. Danach war er nahe daran, sich das Leben zu nehmen, "bevor andere es ohne Grund tun". Seine Klassenlehrerin riet ihm, bei seiner Familie (und seiner kleinen Schwester) zu bleiben. Dieser junge Mensch musste sich mit der bevorstehenden Ermordung seiner Familie und seinem Tod auseinandersetzen.

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    Als er sich entschlossen hatte, bei seiner Familie zu bleiben, schrieb er von der Deportation aus eine Karte an Schwester Lydia: "Ich habe meine Eltern und Geschwister wieder gefunden. Wir sind auf dem Transport in das Konzentrationslager. Ich weiß, was uns bevorsteht, meine Eltern wissen es nicht. Ich habe mich nun innerlich so weit durchgerungen, daß ich auch den Tod ertragen werde. Ich danke noch einmal für alles Gute, das Sie mir erwiesen. Grüße an alle Kameraden. Auf Wiedersehen im Himmel! Euer Robert."

    Robert wurde am 16. Juli 1943, drei Wochen nach seinem 15. Geburtstag, in Auschwitz ermordet, seine Familie ebenfalls, darunter zwei Neffen, nicht einmal 3 Monate und noch keine 5 Jahre alt. Drei Schwestern haben überlebt. Eine von ihnen, Ottilie, hat sich 1957 und 1958 darum bemüht, dass Berichte vom Nardinihaus und dem Mädchenheim Maria Rosenberg zu der Deportation erstellt wurden. Ottilie selbst war zusammen mit einer ihrer Schwestern vor der Deportation im Mädchenheim Maria Rosenberg untergebracht gewesen.

Zur Gedenkarbeit für Anna und Robert Rheinhardt
von Karola Streppel

1947 erfuhr das Nardiniheim in Pirmasens, dass Anna und Robert sowie deren Eltern in Auschwitz ermordet wurden. In dem Bericht vom 11.4.1958 (s.a. Anhang) heißt es weiter: „... daß schuldlose Kinder, weil sie einer bestimmten Menschenrasse angehörten, grausamem Schicksal ausgeliefert worden sind.“ Es dauerte bis 1982, bis Sinti und Roma offiziell durch den damaligen Bundeskanzeler Helmut Schmidt als Opfer des Nationalsozialismus anerkannt wurden.

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    Der rheinland-pfälzische Landesverband Deutscher Sinti und Roma hat 2005 eine Ausstellung in Pirmasens zum Völkermord an Sinti und Roma mit Schwerpunkt Pfalz durchgeführt: "Die Überlebenden sind die Ausnahme". Die Wanderausstellung fand in Zusammenarbeit mit dem Pirmasenser Stadtarchiv vom 8. Mai bis zum 5. Juni im Carolinensaal statt und hatte rund 300 Besucher. Auf Initiative und Kosten des Verbands wurde 2001 eine Gedenktafel im Innenbereich des heutigen Nardinihauses für Anna und Robert angebracht. 2015 befassten sich rd. 250 Schülerinnen und Schüler Pirmasenser Schulen mit dem Schicksal von Anna und Robert. Auch fand eine Veranstaltung des Arbeitskreises Geschichte der Juden mit dem Vorsitzenden des Verbands Jacques Delfeld dazu statt. Anlässlich des Gedenkens an Anna und Robert Reinhardt im Rahmen des Pirmasenser Gedenkprojektes wird der Landesverband Deutscher Sinti und Roma gemeinsam mit dem AK Geschichte der Juden am 19.5.2018 mit Unterstützung der Stadt Pirmasens im Forum Alte Post ein Benefizkonzert zur Unterstützung der Arbeit der Mallersdorfer Schwestern mit Romakindern in Rumänien organisieren. Stand: 4.5.2018 Weitere Unterlagen zum Schicksal der Familie Reinhardt und zur Geschichte der Gedenkarbeit in Pirmasens zu Anna und Robert Reinhardt können über den Landesverband der Sinti und Roma: http://www.vdsr-rlp.de/ und den Arbeistkreis Geschichte der Juden in Pirmasens: karolastreppel@t-online.de angefragt werden.

    Karola Streppel, Stand 4. Mai 2018

Hist. Dokumente des Kinderheims Nardinihaus vom 11.4.1958 und Mädchenheims Maria Rosenberg vom 13.4.1959. Zur Verfügung gestellt vom Nardinihaus und dem Mädchenheim Maria Rosenberg.